Wikipedia: Nicht schlechter als Brockhaus und Britannica

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Dass die Wikipedia ein Phänomen darstellt, ist unbestritten – über die Qualität der darin gespeicherten Information wird dagegen oft und gerne debattiert. Inzwischen haben mehrere Zeitschriften die Probe aufs Exempel gemacht und in Vergleichstests die Wikipedia gegen die etablierten Enzyklopädien antreten lassen – und die Wikipedia hat dabei immer überraschend gut abgeschnitten.

Im Dezember 2005 publizierte die Zeitschrift Nature einen Artikel mit der Quintessenz, dass die Wikipedia nicht wesentlich mehr Fehler enthält als die Online-Ausgabe der Encyclopaedia Britannica: “Internet encyclopaedias go head to head” (Nature 438, S. 900f). Die Encyclopaedia Britannica kritisierte die Methodik und die Bewertung des Vergleichs scharf, Nature hielt jedoch an der Aussage fest, worauf die Britannica sogar Zeitungsanzeigen gegen den Nature-Artikel schaltetet, was Nature zu einer weiteren Stellungnahme veranlasste.

Zwei Jahre später liess der Stern einen ähnlichen Vergleich durchführen. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Artikel aus möglichst verschiedenen Fachgebieten stammen (Nature hatte insbesondere naturwissenschaftliche Artikel verglichen, was gewisse Schwächen der Wikipedia in Sozial- und Geisteswissenschaften unberücksichtigt liess). Das kommerzielle Lexikon, an dem die Wikipedia diesmal gemessen wurde, war die kostenpflichtige Online-Ausgabe des 15-bändigen Brockhaus, bewertet wurden Richtigkeit, Vollständigkeit, Aktualität und Verständlichkeit. Das Resultat des Vergleichs viel noch deutlicher zugunsten der Wikipedia aus: Sie schlug den Brockhaus deutlich in allen Kriterien mit Ausnahme der Verständlichkeit. Auch der Brockhaus kritisierte den Vergleich als unfair.

Die beiden öffentlichkeitswirksamen Artikel bestätigen damit eine Beobachtung, welche auch die Computer-Zeitschrift c’t beim Vergleich der CD-ROM-Ausgaben von Bertelsmann, Brockhaus und Encarta mit der Wikipedia gemacht hatte (Ausgabe 6/2007): Die Wikipedia ist nicht perfekt, aber sie ist zu einer ernstzunehmenden Alternative geworden.

Weiterführende Artikel:

Lexikon 1888: Meyer’s und Brockhaus’ Konversations-Lexika digital erschlossen

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Der Schweizer Mathematiker Peter Hug hat es sich zur Aufgabe gemacht, die wichtigsten Lexika des späten 19. Jahrhunderts im Internet bereitzustellen und optimal zu erschliessen. Dazu gehören insbesondere die 4. Auflage von Meyers Konversations-Lexikon aus den Jahren 1885 bis 1892 sowie die 14. Auflage von Brockhaus’ Konversationslexikon aus den Jahren 1894 bis 1896. Aufbauend auf dem Digitalisierungsprojekt Retro-Bib von Christian Aschoff hat Hug seine Website Lexikon 1888 geschaffen, die bezüglich Funktionalität Massstäbe setzt. Die Lexika steht als Faksimilie sowie als durchsuchbarer Volltext zur Verfügung, wobei der Volltext durch Querverlinkungen, Kontextinformationen und Quellen angereichert ist. Sogar eine für Handys optimierte Version ist vorhanden.

Zeno.org: Digitale Bibliothek mit gemeinfreien Büchern

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Zeno.org ist eine Online-Bibliothek mit lexikalischen, wissenschaftlichen und literarischen Texten in deutscher Sprache, die im Volltext und in vielen Fällen auch als Faksimile vorliegen. Dass Zeno.org die Texte frei verfügbar machen kann liegt daran, das ihr Copyright ausgelaufen ist und sie deshalb als gemeinfrei (Public Domain) gelten. Daraus folgt, dass man hier keine aktuellen Werke findet, sondern solche aus den vorangehenden Jahrhunderten. Die Lexika von Brockhaus, Herder, Pierer & Co. etwa stammen aus dem 19. oder frühen 20. Jahrhundert, die Autoren im Fachgebiet Geschichtswissenschaft heissen beispielweise Jacob Burckhardt, Johann Gustav Droysen oder Theodor Mommsen. Das Bedienungskonzept ist einfach, aber zweckmässig.

Persönlich frage ich mich einfach, ob es Sinn macht, eine weitere universelle digitale Bibliothek zu schaffen und damit in Konkurrenz zu Wikibooks bzw. Wikisource, Projekt Gutenberg oder Google Buchsuche zu treten. Es ist zwar spannend, in den verschiedenen alten Werken zu schmökern, insbesondere wenn diese auch als Faksimilie eingescannt sind. Für eine Bibliothek ist der Bestand im einzelnen Fachgebiet aber sehr dünn.

Die Nutzungsbedingungen stellen klar, dass man zwar einzelne Texte von Zeno.org kopieren und weiterverwenden darf, dass aber für die Gesamtheit des Angebots ein Urheberrecht gilt. Zudem wird im Sinne einer Creative-Commons-Lizenz eine Herkunftsangabe verlangt. Ob dies bei Texten, die gemeinfrei sind, rechtlich haltbar ist, kann ich nicht beurteilen, scheint mir aber nicht ganz schlüssig. Zudem wirkt es wenig konsequent, dass Zeno.org einerseits ein Urheberrecht auf der Datenbank als Ganzes beansprucht, andererseits aber die komplette deutsche Wikipedia übernimmt.

Spannend erscheint mir dagegen, dass auch hier das Prinzip der Buchpatenschaft existiert (vgl. DigiWunschbuch: Digitalisierung von alten Drucken über Buchpatenschaften). Wer ein urheberrechtsfreies Werk in der Bibliothek von Zeno.org vermisst, kann dessen Digitalisierung finanzieren und wird damit Buchpate.

Die Wikipediaisierung von Meyers Lexikon

Auch wenn Vorbehalte in gewissen Fällen berechtigt sind: Die Wikipedia ist innert kürzester Zeit zu einer ernsthaften Konkurrenz für die etablierten Lexika geworden. Die Reaktion der Verlage ist unterschiedlich: Während der Brockhaus auf seine Reputation vertraut und gute Information gegen gutes Geld verkauft, nimmt sich Meyers Großes Taschenlexikon in 24 Bänden die Wikipedia zum Vorbild: Die Artikel sind online frei verfügbar, und wer sich (kostenlos) registriert, kann zudem neue Artikel zur Aufnahme in das Lexikon vorschlagen und bestehende Artikel kommentieren. Die Finanzierung soll offenbar durch Google-AdSense-Anzeigen erfolgen. Das Modell ist ein interessanter Kompromiss zwischen dem JeKaMi der Wikipedia und der klassischen Informationshoheit der Lexikon-Redakteure. Wobei man wissen muss, dass Meyers Lexikon genau wie der Brockhaus zum Bibliographischen Institut & F. A. Brockhaus AG gehört und dieser Verlag somit mit seinen zwei Marken eine Doppelstrategie fährt.