Archiv der Kategorie 'Marketender'

Frau Bossi und Herr Sommer

Samstag, den 5. März 2005

Wer war eigentlich Betty Bossi – die Namensgeberin von Kochbüchern und -zeitschriften, Küchenutensilien und Convenience Food?

Die schlechte Nachricht zuerst: Betty Bossi hat nie existiert, so wie es auch Dr. Jochen Sommer von der Bravo nie gegeben hat. Betty Bossi ist eine Kunstfigur, erfunden für die Vermarktung des Speisefetts “Astra” des Unilever-Konzerns. Oder sagen wir vielleicht besser: ein Pseudonym für ihre Erfinderin Emmi Creola, welche 1955 bis 1971 unter dem Namen Betty Bossi publizierte. Die ganze Geschichte ist zu lesen im Zürcher Unterländer.

(via völlig verplant)

Schlaraffia

Montag, den 14. Februar 2005

Dass Finanzierungsmodelle in der heutigen Wirtschaft oft dem gesunden Menschenverstand widersprechen weiss jeder, der schon einmal einen Tintenstrahl-Drucker zu einem lächerlichen Preis erstanden hat – und dem dann das Lachen im Hals stecken geblieben ist, weil er für ein par Milliliter Tinte ein Vermögen hinblättern musste.

Notorisch ist diesbezüglich die Telekommunikationsbranche. Handies kauft man heutzutage nicht mehr – man lässt sie sich schenken, und zwar von den Mobilfunk-Anbietern, die auf diesem Weg jedem Abonnenten einen kleinen roten Teppich ausrollen.

Kann man Gratisprodukte noch übertrumpfen? Man kann – indem man seinen Kunden Geld schenkt, statt welches von ihnen zu nehmen. Tele2 Deutschland schreibt seinen Abonnenten 2 Cent gut pro Anruf, den sie entgegennehmen. Denn wo jemand angerufen wird, ruft auch jemand an, und den kann man dann zur Kasse bitten. Eine clevere Idee, die in Geiz-ist-geil-Land bestimmt funktioniert, weil sich manch einer gerne ein paar Cent dazuverdienen wird, auch wenn er sich dafür mit der Schwiegermutter oder mit dem Steueramt unterhalten muss.

In der Realwelt angekommen

Sonntag, den 13. Februar 2005

Ebay Xchange-Point

  

Das virtuelle Auktionshaus Ebay ist definitiv in der Realwelt angekommen. Gestern im Zürcher Hauptbahnhof gesichtet: der Ebay Xchange-Point, wo man sich treffen kann, um Ersteigertes gegen Bares auszutauschen. Auch wenn wahrscheinlich wenige Ebay-Benutzer davon Gebrauch machen werden: Aus Sicht des Marketings ein tolle Idee. Denn schon bald werden Dates nicht mehr am hoffnungslos übervölkerten “Treffpunkt” bei der grossen Bahnhofsuhr, sondern beim viel intimeren “Ebay Xchange-Point” beginnen – und schon ist der Brand in aller Munde…

Small is beautiful

Donnerstag, den 3. Februar 2005

Wachstum als oberstes Ziel (um nicht zu sagen: Selbstzweck) ist uns derart selbstverständlich geworden, dass es auffällt, wenn jemand nicht wachsen will. Markus Ruf von der Werbeagetur Ruf Lanz, die gerade mit ADC-Würfeln überhäuft wurde:

“Weil wir klein und unabhängig sind, können wir es uns leisten, ehrlich zu unseren Kunden zu sein und jene Lösungen zu präsentieren, von denen wir wirklich überzeugt sind. Ab einer bestimmten Grösse ist aus wirtschaftlichen Überlegungen eher vorauseilender Gehorsam angesagt.”

“Wachstum an sich ist kein Ziel. […] Langfristig sehen wir uns bei etwa 15 Mitarbeitern (derzeit sind’s acht). Mehr sollen es auch deshalb nicht werden, weil Danielle Lanz und ich nicht zu Managern mutieren, sondern weiterhin selber Kampagnen aushecken wollen.”

Das ganze Interview gibt es bei persoenlich.com.

Die Rüstungsspirale im Marketing

Sonntag, den 30. Januar 2005

Das Vokabular im Marketing wird immer kriegerischer: Nach Viral Marketing und Guerilla Marketing kommt nun das Stealth Marketing. Hinter all diesen Konzepten steckt dasselbe Problem: Konventionelle Marketing-Methoden erzielen nicht (mehr) die erhoffte Wirkung bei den Konsumenten, weil diese von Werbung überflutet werden und ihr auch kritisch gegenüberstehen. Selbst die Medien sind nicht mehr uneingeschränkt vertrauenswürdig, seit es Dauerwerbesendungen, Sponsoring, Product Placement und Publireportagen gibt. Konsumenten verlassen sich lieber auf Empfehlungen von anderen Konsumenten, was im Zeitalter des Internets nicht nur Mund-zu-Mund, sondern auch über Opinion-Portale wie Ciao oder DooYoo funktioniert.

Vor diese Herausforderungen gestellt haben die Marketing-Strategen eine effektive, aber auch zynische Antwort gefunden: Wenn die Konsumenten unserer Werbung nicht mehr glauben, sondern nur noch anderen Konsumenten, dann bezahlen wir doch einfach Konsumenten dafür, dass sie für uns Werbung machen – und zwar ohne dass sie dies offen zugeben. Marqui und BzzAgent sind zwei Beispiele dafür (mehr dazu bei Markus Breuer).

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Man ist, was man isst

Samstag, den 8. Januar 2005

Roman Bleichenbacher hat mit seiner Diplomarbeit Codecheck den SWITCH Award 2004 gewonnen – und er hat ihn verdient.

Codecheck ist eine Online-Datenbank mit Produkten des täglichen Bedarfs. Sie gibt detailliert Auskunft über die Zusammensetzung von Lebensmitteln, Kosmetika und ähnlichem. Auch Zusatzstoffe (z.B. die berüchtigten E-Nummern) oder Labels (z.B. die diversen Bio-Labels) werden hier detailliert erklärt. Ein bestimmtes Produkt kann man entweder über konventionelle Suchmethoden aufrufen – oder (daher der Name Codecheck) durch Eingabe des EAN-Codes.

In Zukunft möchte Bleichenbacher noch einen Schritt weiter gehen: Er möchte im Laden mit der Handy-Kamera einen Strichcode fotografieren, diesen an seine Datenbank schicken und postwendend detaillierte Produkteinformationen abrufen können.

Noch einfacher wäre es natürlich, wenn in den Läden Internet-Terminals mit einem Strichcode-Scanner stehen würden. Ich bin gespannt, welche Detailhandelskette als erste das Potential dieses Konzepts versteht – wobei es ziemlich viel Mut brauchen würde, die Inhaltsstoffe der Produkte so schonungslos offenzulegen. Denn auf Codecheck finden sich auch zahlreiche Hinweise auf Untersuchungen von Kassensturz, Konsumentenforum, Stiftung Warentest, Öko-Test, BAG, kantonalen Lebensmittel-Kontrollstellen etc., und diese Untersuchungen fallen nur zu oft ziemlich erschreckend aus. Wer würde sich beispielsweise noch ein Glas Honig in den Einkaufswagen packen, wenn er lesen muss:

Kassensturz fand in fünf von zwölf getesteten Schweizer Honigen Rückstände eines Mottenmittels der Giftklasse 4.”

(Ver)Mark(t)en

Dienstag, den 7. Dezember 2004

Man mag von Marken halten, was man will – man kommt nicht um sie herum. Auch der leidenschaftlichste Konsumkritiker steht irgendwann vor dem Waschmittelregal im Supermarkt, kurz vor Ladenschluss und erschlagen vom Überangebot der Power-Formeln und Colour-Protection-Systeme, und dann sagt er sich: “Was soll’s, dann nehm’ ich halt Persil, dann weiss ich wenigstens, was ich habe!”

Damit hat er nicht nur einen der bekanntesten Slogans (“Persil – da weiss man, was man hat. Guten Abend!”) verinnerlicht, sondern zugleich sehr schön gezeigt, wie Marken funktionieren. Die Marke ist ein Name plus Logo gewordenes Versprechen. Es ersetzt den guten Ruf des Quartierbäckers oder des Dorfmetzgers, der sein Geschäft mit Können, Sorgfalt und Leidenschaft betrieb und so seine Stammkundschaft aufbaute. Dort konnte man noch sicher sein: “Da bekomme ich immer das, was ich will, weil man dort meine Wünsche kennt und mich nicht über’s Ohr haut!”

Genau dieses kuschelige Gefühl sollen auch Marken vermitteln. Zu diesem Zweck werden Marken “aufgebaut” und “gepflegt”. Das hat auch, aber nicht nur mit Werbung und Marketing zu tun. Klar muss eine Marke unter’s Volk gebracht werden und drängt sich uns deshalb sporadisch per Kampagne oder Promotion ein bisschen auf. Letztlich müssen die Produkte aber auch halten, was die Marke verspricht, sonst sinkt der Wert einer Marke in der Konsumentengunst sehr rasch. Marken werden denn auch laufend bewertet, wobei der Brand Asset Valuator von Young & Rubicam eines der bekanntesten Verfahren (und damit selbst eine Marke!) ist. Andere Markenbewertungsverfahren findet man beispielsweise im Markenlexikon.)

Man sollte sich auch hüten, Marken nur als eine Erscheinung der “heutigen Zeit” zu sehen. Ein Besuch des Markenmuseums kann in diesem Zusammenhang erhellend sein.

Übrigens funktionieren Marken natürlich auch im nicht-materiellen Bereich. Nehmen wir beispielsweise Blogs: Sie kennen den Schockwellenreiter? Na also! Übrigens: Dieses Blog heisst Weitblick. Nicht vergessen! Und beehren Sie uns bald wieder…

Linsengericht

Freitag, den 12. November 2004

Caroline Davidson war einst Design-Studentin an der Portland State University, an der auch Philipp Knight zeitweise unterrichtete. Für Knight und sein Sportartikelgeschäft Blue Ribbon Sports entwarf sie 1971 ein Logo, das heute unter dem Namen “Swoosh” bekannt ist und den Flügel der griechischen Göttin Nike darstellen soll, welche der Sportartikel-Marke ihren Namen gab. Das Logo kostete Knight damals ganze 35 Dollar (woraus Nike auch kein Geheimnis macht), sein Sportgeschäft ist inzwischen zu einem 8-Milliarden-Konzern gewachsen.

Knight sei übrigens mit dem Logo nicht wirklich zufrieden gewesen. Das dürfte sich inzwischen geändert haben.

P.S. Wer Philipp Knight einmal im Interview sehen und dabei viel über gute und schlechte PR lernen möchte, dem sei Michael Moore’s Film “The Big One” empfohlen.

Sag mir was Du fährst…

Freitag, den 12. November 2004

Audi sei die Automarke der hochleistungsorientierten Nonkonformisten. Hochleistungsorientierte Konformisten dagegen würden Mercedes und BMW bevorzugen, Neureiche eher letzteres, Altreiche dagegen ersteres.

Der dies sagt ist Rainer Baginski, heute Schriftsteller, früher Werbetexter, noch früher Philosophiestudent. Citroën sei die Marke der Künstler, Alfa Romeo diejenige der bindungsunwilligen Frauenfreunde. Jaguar-Fahrer sein häufig überschuldet, Volvo-Fahrer verkappte Raser im vordergründig sicherheitsoptimierten Familienauto. Wirklich kinderliebende Familien würden dagegen Peugeuot bevorzugen, während Porsche-Fahrer nicht nur auf Familie, sondern sogar auf einen Beifahrersitz ganz gut verzichten könnten. Saab schliesslich sei die Marke der Intellektuellen und Selbständigen mit eigenen Ansichten und Lebensgewohnheiten. Baginski selbst fährt – wer hätte das gedacht – einen Saab.

Was die Markenpsychologie wohl über französische Kleinwagen weiss?

Mehr dazu im NZZ Folio 11/2004, S. 62-68