Archiv der Kategorie 'Utopia'

Sturheit pur

Freitag, den 23. März 2007

Es ist erschreckend, mit welchem Starrsinn sich dieses Land manchmal sinnvollen Veränderungen widersetzt. In Chur erschiesst ein junger Mann seine Freundin mit dem Sturmgewehr, eine Studie des Kriminologen Martin Killias macht Militärwaffen für 300 Tote pro Jahr verantwortlich – aber der Nationalrat beharrt darauf, dass Armeeangehörige ihre Waffen weiterhin mit nach Hause nehmen. Drei Schlagzeilen vom gleichen Tag.

In einer Zeit, in der Raucher per Verbot zu gesünderem Leben angehalten werden und auf unseren Strassen die Vision Zero gilt, nimmt unser Parlament 300 Familiendramen pro Jahr in Kauf – nur um einen alten Zopf unseres Milizsystems nicht abschneiden müssen, dessen Nutzen höchst fragwürdig ist. Das Sturmgewehr im Schrank soll unser Land schützen – in Tat und Wahrheit gefährdet es aber dessen Bürger. Selbst der Verzicht auf die Abgabe der Taschenmunition oder auch nur eine zentrales Waffenregister sind bisher nicht durchgekommen.

Das Parlament nimmt in dieser Frage schlicht seine Verantwortung nicht wahr. Und auf den Bundesrat können wir leider auch nicht zählen, solange das Militär- und das Justizdepartement von den beiden Hardlinern Schmid bzw. Blocher geführt werden.

Mehr zum Thema:

Von Putzfrauen und Saubermännern

Freitag, den 29. Dezember 2006

Saubermachen ist an sich ein schmutziger Job. Leider sind aber auch die Arbeitsverhältnisse vieler Reinigungsangestellten alles andere als sauber. Pia Tschannen hat 2003 eine Studie mit dem Titel “Putzen in der sauberen Schweiz – Arbeitsverhältnisse in der Reinigungsbranche” (eFeF Verlag) publiziert. Die Erkenntnisse daraus sind nun in das Projekt Proper Job eingeflossen, das Reinigungspersonal zu legalen und fairen Bedingungen vermittelt.

Gute Vorsätze

Dienstag, den 26. Dezember 2006

Es wird Zeit für gute Vorsätze. Ein Vorschlag der IG Velo (unterstützt von Migros, CSS Versicherung, Bundesamt für Gesundheit und Gesundheitsförderung Schweiz): Bike to Work. Man kann sogar etwas gewinnen: einen Flossbau. Endlich mal ein origineller Wettbewerbspreis! Ich weiss ja schon bald nicht mehr wohin mit all den Cabriolets und iPods…

Ghana Youth Photo Project

Sonntag, den 22. Oktober 2006

Einen Dokumentarfilmpreis wird dieses Video wohl nie gewinnen. Trotzdem ist es schön zu sehen, dass es zwischen den vielen Belanglosigkeiten auf YouToube auch immer wieder einmal eine kleine Perle gibt, wo jemand wirklich etwas zu sagen und zu zeigen hat.

Nobelpreis für den Mikrokredit

Samstag, den 14. Oktober 2006

Dass Mikrokredite (vgl. “Gute Vorsätze“) längst kein Nischenphänomen mehr sind, belegt der diesjährige Friedensnobelpreis für Mohammed Yunus und seine Grameen Bank. Das Nobel Comittee verleiht den Preis

“[…] for their efforts to create economic and social development from below. Lasting peace can not be achieved unless large population groups find ways in which to break out of poverty. Micro-credit is one such means. Development from below also serves to advance democracy and human rights.”

Der Tages-Anzeiger sieht darin auch eine “Ehrenmeldung für den Kapitalismus”:

“Es straft jene Lügen, die Kapitalismus und Entwicklungshilfe gerne als unvereinbar darstellen.”

Denn: Yunus verschenkt kein Geld (wie bei klassischen Entwicklungsprojekten), sondern agiert letztlich nach den Prinzipien des Kapitalismus, indem er Geld gegen Zinsen verleiht. Dadurch schafft er Anreize für Eigenverantwortlichkeit und Selbsthilfe.

“All dies zusammen ist auf der Basis kapitalistischer Mechanismen ein erheblicher Beitrag für eine bessere Welt, weil wirtschaftliche Not nachhaltig gelindert wird, statt in Verzweiflung und Fanatismus zu enden. Dies kontrastiert in wohltuender Weise mit den Schattenseiten, die der Kapitalismus bei seiner Entfesselung im Zuge der Globalisierung offenbart.”

Blauer Dunst und blaue Bohnen

Samstag, den 14. Oktober 2006

Was haben das Rauchen und das Schiessen gemeinsam? Beides ist schädlich für Dritte. Die Schweiz hat deshalb – dem Beispiel der USA und verschiedener europäischer Staaten folgend – in den letzten Monaten zahlreiche Rauchverbote eingeführt, welche Nichtraucher vor dem Passivrauchen schützen sollen. Das Rauchen in Flugzeugen und Flughäfen, Zügen und Bahnhöfen, Restaurants und Spitälern wird zunehmend verboten oder auf spezielle Zonen beschränkt. Und wieder Erwarten finden diese Massnahmen weitgehend Zustimmung.

Ganz anders dagegen bei dem Schiessen: Die Schweiz besitzt eines der liberalsten Waffengesetze – und soll es nach dem Willen des Parlaments auch behalten. Bei der Beratung des neuen Waffengesetzes (Dossier auf der Website des Eidg. Parlaments) hat die politische Rechte verschiedene Verschärfungen abgeschmettert: Ideologie zählt bei diesem Thema offenbar noch immer mehr als gesunder Menschenverstand.

Das Ganze ist absurd – und zwar in verschiedener Hinsicht:

  1. Die Schweiz hat sich auf internationaler Ebene für die Kontrolle von Kleinwaffen stark gemacht – im eigenen Land dagegen sieht man dies offenbar weniger eng (Artikel im Beobachter).
  2. Ausgerechnet die SVP, welche aus der steigende Kriminalität politisches Kapital schlägt, blockiert eine der wirksamsten Massnahmen gegen Gewaltverbrechen.
  3. Bei der Zigarette ist es eine unverwünschte Nebenwirkung, dass sie Schaden anrichtet – Schusswaffen hingegen werden exakt zu diesem Zweck gebaut (den Sport einmal ausgenommen). Trotzdem ist es in unserem Land offenbar viel einfacher, den Zigarettenkonsum einzuschränken als den Waffenerwerb.

Links zum Thema:

Wie abstimmen?

Donnerstag, den 21. September 2006

Wer bei Volksabstimmungen nicht einfach Parteiparolen einlegen will und sich trotzdem nicht tagelang mit einer Vorlage auseinandersetzen kann, findet auf den Websites der führenden Zeitungen in der Regel ein Dossier mit Pro- und Kontra-Artikeln sowie einem Kommentar, in dem die Redaktion ihren eigenen Standpunkt begründet. Wenn mann dann noch zwei klar unterschiedlich positionierte Titel wie den Tages-Anzeiger und die Neue Zürcher Zeitung berücksichtigt, kann man sich in einer Stunde schon einen ganz guten Überblick verschaffen.

Leider ist die NZZ dazu übergegangen, diese Dossiers kostenpflichtig zu machen. Dank Click&Buy, dem Micropayment-System von Swisscom, das über die Telefonrechnung abrechnet, geht dies zwar relativ schnell und bequem. Trotzdem ist es eine Hürde. Und was die NZZ damit vor allem erreicht ist, dass ihre Argumente weniger gehört werden. Im konkreten Fall ist das nicht ganz so schlimm, denn der Tages-Anzeiger legt absolut überzeugend dar, warum man beim Asylgesetz und beim Ausländergesetz je ein Nein einlegen sollte.

Trotzdem sollte man sich an der Falkenstrasse überlegen, ob es einer NZZ nicht besser anstehen würde, im Interesse der demokratischen Meinungsbildung auf die bescheidenen Mehreinnahmen zu verzichten und Abstimmungsdossiers prinzipiell kostenlos bereitzustellen.

Lohnerhöhung

Dienstag, den 11. Juli 2006

Kann man eigentlich sagen, dass die Manager-Löhne in den letzten Jahrzehnten überdurchschnittlich gestiegen sind? Man kann.

“1970 verdienten Manager rund 30 x mehr als durchschnittliche Arbeiter und Angestellte – heute ist das Verhältnis 300:1.”

Das obige Zitat stammt aus der aktuellen Ausgabe 3/2006 des Unimagazins, welche über das Forschungsprojekt Gerechte Löhne und Arbeitsgerechtigkeit von Anton Leist und Carsten Köllmann berichtet.

Werden wir doch einmal konkret: Der monatliche Bruttomedianlohn für einfache und repetitive Tätigkeiten beträgt rund 4’300 Franken (vgl. Schweizerischer Lohnstrukturerhebung 2004 des Bundesamtes für Statistik). Ein Manger würde demnach 300 x 4’300 = 1’290’000 Franken pro Monat einstreichen, das wären (wir gehen einmal von 13 Monatslöhnen aus) 16’770’000 Franken im Jahr. Kann das stimmen?

Solche Löhne gibt es natürlich: Die aktuellen Spitzenreiter wie Marcel Ospel (UBS) oder Daniel Vasella (Novartis) lassen sich ihre Arbeit mit gut 20 Millionen pro Jahr bezahlen. Danach kommen wir allerdings ziemlich rasch in den einstelligen Millionenbereich. Das ist zwar immer noch ziemlich viel Moos, aber ob man das obige Zitat auf die Verhältnisse in der Schweiz beziehen darf, erscheint mir doch fraglich. Andererseits: Selbst bei einem Faktor 30 resultiert ein stattlicher Zahltag von 129’000 Franken pro Monat.

Darüber, dass unsere Manger nicht gerecht entlöhnt werden, mache ich mir jedenfalls die geringsten Sorgen.

Quatsch

Samstag, den 27. Mai 2006

Manchmal, so finde ich, fehlt es der deutschen Sprache an der nötigen Prägnanz. Zwar ist Quatsch ein sehr originelles und durchaus starkes Wort – aber an die Kraft von Bullshit kommt es einfach nicht heran. Mit einem einzigen “Bullshit!” stelle ich etwas unwidersprochen richtig, während ich mit einem “Quatsch!” auf lange Rechtfertigungen und Widerreden gefasst sein muss. (Und “Bullenscheisse!” konnte sich bei uns leider nie etablieren.)

Harry G. Frankfurt, Philosoph in Princeton, hat mir nun den Gefallen getan, das Wort “Bullshit!” mit unvergleichlicher Prägnanz zu definieren und zugleich die Schädlichkeit von Bullshit zu entlarven. Sein Büchlein On Bullshit (Suhrkamp) habe ich zwar noch nicht gelesen, aber das Interview im Magazin 13/2006 ist sehr verheissungsvoll.

Was bedeutet Bullshit?

“Es heisst, die Wahrheit zu entstellen, ohne sich einer Verzerrung bewusst zu sein. Sogar zu denken, es ist besser, etwas Unwahres zu sagen als gar nichts. […] Und es kann bedeuten, dass jemand dich manipulieren will. […] Bullshit ist eine Technik, die Wahrheit zu verbergen. Es geht dabei gar nicht so sehr darum, ob jemand lügt oder nicht. Es geht vielmehr darum, dass jemandem, der im System des Bullshit denkt und lebt, irgendwann das Gefühl dafür abhanden kommt, dass er womöglich auch mal die Wahrheit sagen könnte. Insofern ist Bullshit schlimmer als Lüge – weil dabei die Vorstellung von Wahrheit ganz verschwindet.”

Und warum gibt es so viel Bullshit?

“Bullshit ist ein Weg, ein Ziel zu erreichen. Einen Fernseher zu verkaufen, eine Wahl zu gewinnen, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Aber das ist nicht der einzige Grund: Es gibt heute einfach so viele, die dafür bezahlt werden, dass sie reden. Und diese Leute müssen weiter und weiter reden, selbst wenn sie nicht wissen, wovon sie sprechen.”

Ist Bullshit schädlicher als Lügen?

“Der Lügner gibt wenigstens zu, dass es einen Unterschied gibt zwischen Wahr und Falsch – der Bullshitter leugnet diesen Unterschied. Und damit untergräbt er ein sehr wichtiges Fundament unserer Kultur, den Respekt vor der Wahrheit. […] Der Schaden durch Bullshit ist viel tief greifender. […] Sobald jemand anfängt, seinen eigenen Bullshit zu glauben, ist er in grosser Gefahr.”

Ist Bullshit nur negativ?

“Er ist ein effizientes Mittel, um soziale Beziehungen zu erleichtern. Ein soziales Schmiermittel. […] Bullshit füllt auch das aus, was wir über uns selbst nicht wissen. […] Bullshit kann sehr kreativ sein. Bullshit kann Spass machen und Neues in die Welt bringen.”

Und zum Schluss die ganz grosse Frage: Macht Wahrheit glücklich?

“Es ist auf jeden Fall das Einzige, das mich glücklich macht. Alles, was im Leben verlogen ist, ist deshalb unbefriedigend, weil es der Wirklichkeit widerspricht. Wenn das, was du tust, nicht wahrhaftig ist, dann ist es egal, ob du bekommst, was du willst oder nicht – denn das, wovon du denkst, dass du es willst, ist nicht das, was du wirklich willst. Nur wenn das Leben wahrhaftig ist, ist es auch harmonisch.”

Wenn Sie Michael Moore mögen…

Samstag, den 18. Februar 2006

… dann werden Sie diesen Film lieben: The Corporation.

The Corporation (Cover)

P.S. Der Film hat auch einen Schweizer Vertrieb. Er läuft derzeit in ausgewählten Kinos und ist als DVD mit deutschen Untertiteln erhältlich.