Archiv der Kategorie 'Utopia'

Gute Vorsätze

Dienstag, den 27. Dezember 2005

Hätten Sie’s gewusst? 2005 war das UNO-Jahr des Mikrokredits. Der Begriff geht auf den Wirtschaftswissenschafter Mohamed Yunus zurück, der die Idee schon vor 30 Jahren in Bangladesh mit der Grameen-Bank umgesetzt hat. Auch die Kirchen blicken mit Oikocredit auf eine ähnlich lange Geschichte des sozial motivierten Kleinkreditwesens zurück.

Das Prinzip ist einfach: Weil der Aufbau einer eigenen Existenz fast immer Investitionen bedingt, müssen insbesondere Besitzlose und Kleinverdiener Zugang zu seriösen, nicht rein renditeorientierten Kreditangeboten erhalten, wenn ihnen nachhaltig geholfen werden soll. Oder anders formuliert:

“Die Armen sollen mit gezielten Kleinkrediten zu autonomen Wirtschaftssubjekten gemacht werden, die eigenverantwortlich für ihr ökonomisches Überleben sorgen können.” (Moneta 2/2005)

Das ist gewissermassen die Abkehr vom Denken in Grossprojekten und Grosskrediten, welches unter dem Strich nicht hat verhindern können, dass die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden. Mikrokredite sollen einen Ausweg aus der Armutsspirale schaffen, indem Kredite “nicht aufgrund des materiellen Besitzes einer Person, sondern aufgrund ihres Potentials” vergeben werden (M. Yunus).

Auch im Bereich der Mikrokredite gibt es allerdings grosse Unterschiede, was die Gewichtung von sozialem Engagement und kommerziellen Interessen angeht. Sogar Grossbanken beginnen sich für Mikrokredite zu interessieren. Andreas Missbach von der Erklärung von Bern findet dies allerdings zwiespältig:

“[…] Die Schweizer Privat- und Grossbanken tragen mit der globalen Ausrichtung ihres Private Banking […] dazu bei, dass Milliarden aus den Entwicklungsländern abwandern – zum grössten Teil unversteuerte Vermögen. Würde nur ein Bruchteil dieses Kapitals in den Ländern selbst investiert und korrekt versteuert, so wäre die Wirkung sehr viel grösser als das PR-trächtige Engagement der CS im Mikrofinanzbereich.” (Moneta 2/2005)

P.S. Wer weder das Rauchen aufgeben noch ernsthaft Abspecken will, könnte für 2006 einen ganz anders gearteten guten Vorsatz fassen: Auch als Kleinanleger kann man nämlich in Mikrokredite investieren – etwa über den ResponsAbility Global Microfinance Fund. Die Anlageberatungsfirma ResponsAbility AG ist im Bankenumfeld breit abgestützt (von Credit Suisse bis Alternative Bank Schweiz) und pflegt enge Beziehungen zu DEZA und SECO. Eine andere Möglichkeit wäre ein Investment bei Oikocredit. Und falls Sie sich Sorgen um Ihr Erspartes machen, dann lassen Sie sich sagen, dass “die Rückzahlungsmoral nirgends so hoch ist wie im Mikrokreditbereich” (Harry Sivec, Chef Medien und Kommunikation DEZA).

Watchlist

Sonntag, den 24. Juli 2005

Muss ich im Auge behalten: openDemocracy – free thinking for the world.

Open Source als Konzept für die Entwicklungshilfe

Samstag, den 9. Juli 2005

Dass das Open-Source-Konzept nicht auf die Informatik beschränkt bleiben muss, ist längst kein Geheimnis mehr. Im wissenschaftlichen Umfeld gibt es derzeit intensive Bestrebungen, elektronische Fachpublikationen (insbesondere Zeitschriften) kostenfrei und öffentlich zugänglich zu machen (sog. Open Access). Wissen, das durch öffentliche Gelder massgeblich finanziert worden sei, sollte auch der Öffentlichkeit zugänglich sein – so ein oft gehörtes Argument. Und wenn durch die Publikation Kosten entstünden, dann sollten diese die Autoren (welche dadurch ihre wissenschaftliche Karriere förderten) bezahlen, nicht die Leser. (Vgl. dazu den Artikel in Spectrum direkt).

Diese Bestrebungen stehen in Zusammenhang mit der allgemeinen Diskussion um erweiterte Nutzungsrechte für digitale Inhalte wie Texte, Bilder, Audio und Video (sog. Open Content). Hierfür wurden verschiedene Lizenzen geschaffen, welche eine kostenlose Nutzung oder gar eine Modifikation von solchen Inhalten vorsehen (z.B. GNU Free Documentation License, Creative Commons Licence).

Die Stiftung DNDi (Drugs for Neglected Diseases Initiative, an der unter anderem die Médecins Sans Frontières MSF beteiligt sind) macht sich den Open-Source-Gedanken auch für das Gesundheitswesen in Entwicklungsländern zu Nutze. Die DNDi hat ein Malaria-Medikament entwickelt, das sie nun vom Pharmakonzern Sanofi-Aventis produzieren lässt.

Nur: Im Gegensatz zu selbst entwickelten Medikamenten, welche die Pharmakonzerne mit Patenten gegen Nachahmer schützen, hat Sanofi-Aventis hier keine exklusiven Rechte. Somit darf (und soll) jeder Hersteller das Medikament kopieren, was zwangläufig dazu führt, dass sich seinVerkaufspreis zunehmend in Richtung der effektiven Herstellungskosten verschiebt. Und genau das ist die Voraussetzung dafür, dass sich die Menschen in den Entwicklungsländern solche Medikamente überhaupt leisten können.

Geht ja!

Mittwoch, den 13. April 2005

Kürzlich hatte ich das Salärmodell des Apple-CEO Steve Jobs als nachahmenswertes Beispiel bezeichnet. Inzwischen hat er Nachahmer gefunden: Auch die beiden Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin sowie der Google-CEO Eric Schmidt verdienen ab diesem Jahr nur noch einen symbolischen Dollar pro Jahr. Verhungern werden diese drei Herren dank eines soliden Vermögens trotzdem nicht – ihre Google-Aktien sind einige Milliarden US-Dollar wert. Mehr im NetzwocheTicker.

Ernte gut – alles gut

Dienstag, den 22. März 2005

Traktor macht prima Bio-Smoothies. “Aus Früchten mit einer glücklichen Kindheit.” Kecke Sprüche dieses Kalibers findet man auf den Etiketten der Traktor-Smoothies. Man kann sie aber auch online lesen – und sich fragen, wie man mit alkohlfreien Smoothies auf solche Schnapsideen kommt.

Wider die Schluckspechte

Samstag, den 19. März 2005

Der VCS gibt jährlich die Auto-Umweltliste heraus. Dort kann man nachlesen, welche Modelle unter Umweltschutz-Gesichtspunkten besonders empfehlenswert sind (z.B. Renault Twingo, 73.8 Punkte) und welche man keinesfalls kaufen darf (z.B. Volvo XC 90 D5, -1.4 Punkte; jawoll, minus 1.4 Punkte). Wer also seinen fahrbaren Untersatz nicht nur nach Machofaktor und Neidpotential auswählt: www.autoumweltliste.ch

iDollar

Donnerstag, den 17. März 2005

Das Prinzip erscheint mir zukunftsweisend: Steve Jobs verdient als CEO von Apple einen (1) symbolischen Dollar. Dafür gehören ihm gut 10 Millionen Apple-Aktien, die angesichts der dramatischen Kurssteigerung in den letzten Jahren ein hübsches Sümmchen wert sind. Das ist echtes Unternehmertum und sollte Schule machen: Statt das Topmanagement mit flüssigen Mittel zu entschädigen, sollte man sie ausschliesslich in Anteilen bezahlen, die zudem erst nach einer angemessenen Sperrfrist verkauft werden können. Dies würde eine nachhaltige Unternehmensführung mehr fördern als alles andere.

(Was man allerdings im Fall von Steve Jobs ergänzen müsste: Der Mann liegt a) bereits auf Platz 194 der Weltrangliste der reichsten Menschen und hat b) noch ein zweites Einkommen als CEO von Pixar. Sonst würde er sich kaum mit dem publikumswirksamen iDollar zufrieden geben.)

Up and down

Freitag, den 25. Februar 2005

Stellvertretend für viele andere mit ähnlichem Inhalt die heutige Schlagzeile von NZZ online:

“Calida verdoppelt den Gewinn – Schweizer Produktion wird geschlossen”

Logisch, nicht? Wenn die Gewinne steigen, dann muss man natürlich Arbeitsplätze abbauen. Und wenn die Gewinne sinken erst recht. Eigentlich muss man also immer Arbeitsplätze abbauen.

Wohl verstanden: Es geht hier nicht um Calida – jedenfalls nicht nur. Denn im gleichen Stil haben viele andere Unternehmen in der jüngsten Vergangenheit kräftig Personal abgebaut, um dafür höhere Gewinner schreiben und ihre Manager fürstlich entlöhnen zu können. Vielleicht sollte ich mal die Pijama-Marke wechseln…

Alle kennen einen

Samstag, den 12. Februar 2005

“Alle kennen einen, der es geschafft hat.” So erklärt Peter Baumgartner (bis vor kurzem Afrika-Korrspendent des Tages-Anzeigers), warum viele Afrikaner in Europa das suchen, was ihnen in Afrika fehlt: eine Perspektive in Form von Arbeit und Einkommen.

In Kenia beispielsweise gibt es für 450’000 neue Arbeitssuchende pro Jahr gerade mal 30’000 Stellen. Unter diesen Umständen haben viele nur die Wahl, sich als Söldner in einem bewaffneten Konflikt wortwörtlich durchs Leben zu schlagen oder eben zu emigrieren. Dass dabei manchmal auch das Asylrecht missbraucht wird, verwundert unter diesen Umständen nicht – schadet allerdings den tatsächlich Verfolgten, die es natürlich auch in Afrika gibt.

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Small is beautiful

Donnerstag, den 3. Februar 2005

Wachstum als oberstes Ziel (um nicht zu sagen: Selbstzweck) ist uns derart selbstverständlich geworden, dass es auffällt, wenn jemand nicht wachsen will. Markus Ruf von der Werbeagetur Ruf Lanz, die gerade mit ADC-Würfeln überhäuft wurde:

“Weil wir klein und unabhängig sind, können wir es uns leisten, ehrlich zu unseren Kunden zu sein und jene Lösungen zu präsentieren, von denen wir wirklich überzeugt sind. Ab einer bestimmten Grösse ist aus wirtschaftlichen Überlegungen eher vorauseilender Gehorsam angesagt.”

“Wachstum an sich ist kein Ziel. […] Langfristig sehen wir uns bei etwa 15 Mitarbeitern (derzeit sind’s acht). Mehr sollen es auch deshalb nicht werden, weil Danielle Lanz und ich nicht zu Managern mutieren, sondern weiterhin selber Kampagnen aushecken wollen.”

Das ganze Interview gibt es bei persoenlich.com.