Monatsarchiv für Februar 2005

Danke, Herr Danowski!

Samstag, den 26. Februar 2005

Wer dieser Tage die Wahlzettel für die Zürcher Bezirksanwälte und Bezirksschulpfleger zur Hand nimmt, findet nebst der vorgedruckten Liste der Interparteilichen Konferenz eine zweite vor, die einen einzigen Namen trägt: Danowski Marian, Literaturagent, Zürich.

Zugegeben: Der von den Parteien ausgehandelte Kompromiss, der nicht einmal die Parteizugehörigkeit der Kandidaten offenlegt und von den Stimmbürgern bloss noch abgesegnet werden kann, ist sicher kein Ruhmesblatt für die Schweizer Demokratie.

Andererseits trägt auch der notorische Kandidat Danowski (vgl. etwa die Berichterstattung von SF DRS und NZZ) ganz sicher nichts zum Ansehen unserer Demokratie bei. Auch wenn er diesmal keine unwissenden Mitbürger auf seiner Liste aufführt, so ist das Ganze doch blosses Polittheater. Danke, Herr Danowski, für diesen engagierten und couragierten Beitrag zur Förderung der Wahlbeteiligung und des politischen Diskurses!

Echt, Mann!

Samstag, den 26. Februar 2005

Kurt Rosenwinkel ist Musiker, ein ziemlich berühmter sogar, und zudem Lehrer an der Jazzschule Luzern. Allein damit hätte er es allerdings nicht in mein Blog geschafft. Das verdankt er einzig und allein dem Artikel im heutigen Magazin (“Ein Tag im Leben von…”), wo der gebürtige Amerikaner so herrlich über die USA herzieht. Zugleich macht er Good Old Europe eine eigentliche Liebeserklärung, und die ist – im Gegensatz zu den Liebensdiensten, die wir uns derzeit von George W. Bush gefallen lassen – erfrischend echt.

Echtheit ist auch das Thema von Rosenwinkel, wenn er die USA mit der Schweiz vergleicht:

“Nichts ist mehr echt. Schlimmer noch, die Werbung hat sogar diese Kultur der echten Gefühle aufgenommen, um dir damit irgendwas zu verkaufen. […] An der Schweiz dagegen mag ich, dass die Leute hier wirklich das sind, was sie zu sein scheinen. Ich spreche mit einem Tankwart und merke, der Mann ist wirklich ein Tankwart, er versteht sein Handwerk. In den USA tun die Leute nur so, als wären sie Tankwart oder Parkgärtner oder Portier. Das kommt von dem ewigen ‘hire and fire’, die Leute werden nicht mehr ausgebildet, du musst nichts mehr richtig können. Also spielen sie ihr Leben. Wir haben sogar einen Präsidenten, der nur so tut, als wäre er Präsident.”

Und das lassen wir jetzt einmal genau so stehen.

Up and down

Freitag, den 25. Februar 2005

Stellvertretend für viele andere mit ähnlichem Inhalt die heutige Schlagzeile von NZZ online:

“Calida verdoppelt den Gewinn – Schweizer Produktion wird geschlossen”

Logisch, nicht? Wenn die Gewinne steigen, dann muss man natürlich Arbeitsplätze abbauen. Und wenn die Gewinne sinken erst recht. Eigentlich muss man also immer Arbeitsplätze abbauen.

Wohl verstanden: Es geht hier nicht um Calida – jedenfalls nicht nur. Denn im gleichen Stil haben viele andere Unternehmen in der jüngsten Vergangenheit kräftig Personal abgebaut, um dafür höhere Gewinner schreiben und ihre Manager fürstlich entlöhnen zu können. Vielleicht sollte ich mal die Pijama-Marke wechseln…

To think about [7]

Montag, den 21. Februar 2005

“Le véritable voyage de découverte ne consiste pas à chercher de nouveaux paysages, mais à avoir de nouveaux yeux.”

Marcel Proust

Tandem

Sonntag, den 20. Februar 2005

Wir kennen das vom Tandem-Fahren: Irgendwie wird man den Eindruck nicht los, dass der andere nicht mit vollem Einsatz in die Pedale tritt. Auch bei der Arbeit beschleicht uns oft das Gefühl, dass sich andere nicht ganz so stark ins Zeug legen, wie sie könnten. In beiden Fällen ist unsere Reaktion dieselbe: “Also wenn es sich andere so bequem machen, dann wäre ich ja blöd, wenn ich mich voll einsetzen würde!”

Diese alltägliche Erfahrung ist objektiv zutreffend und sogar wissenschaftlich bewiesen. Schon Ende des 19. Jahrhunderts mass Max Ringelmann, wie stark sich der Einzelne beim Seilziehen verausgabt. Dabei konnte er klar nachweisen, dass die pro Person aufgewendete Kraft umso kleiner wird, je mehr Personen am Seil ziehen. Der sogenannte Ringelmann-Effekt (der 1974 von Alan C. Ingham experimentell bestätigt wurde) besagt also: Je mehr Personen in einem Team sind, desto weniger setzt sich der Einzelne ein, weil sein Beitrag immer weniger relevant wird und weil es immer weniger auffällt, wenn er sich drückt.

In die Umgangssprache übersetzt: Team = Toll, ein anderer macht’s!

(Das Experiment ist nachzulesen im Buch von Reto U. Schneider.)

To think about [6]

Samstag, den 19. Februar 2005

“Es ist nett, wichtig zu sein. Aber es ist wichtiger, nett zu sein.”

Wandspruch im Restaurant Weisser Wind

New and improved

Dienstag, den 15. Februar 2005

Für WordPress ist endlich das Update 1.5 erhältlich (Download). Heute findet aus diesem Anlass die Upgrade Party statt – leider in San Francisco, deshalb muss ich passen…

Schlaraffia [2]

Dienstag, den 15. Februar 2005

Es gibt natürlich auch das Gegenteil von Schlaraffia: Unternehmen, die Ihre Kunden für grundlegendste Dienstleistungen schamlos zur Kasse bitten. Die Grossbanken machen es vor und belasten ihren Kleinkunden Spesen, welche die mageren Zinsen oft mehr als auffressen.

Neustes Beispiel: Die Post. Da wird die digitale Briefmarke WebStamp lanciert, mit der man direkt am Computer seine Wertzeichen drucken und dem Gelben Konto belasten kann. So weit, so innovativ. Völlig quer in der Landschaft steht dafür das Finanzierungsmodell: Die notwendige Software schlägt mit 90 Franken zu Buche – pro Jahr, wohlverstanden. Wer jeden Tag genau einen A-Post-Brief verschickt, zahlt pro Brief 25 Rappen Zusatzporto und somit 25 Prozent Aufpreis gegenüber der “analogen” Briefmarke.

“Das Online-Frankieren eignet sich besonders für kleinere Firmen, Vereine und Privatkunden, die regelmässig geringe Volumen an Brief- und Paketsendungen aufgeben. “

Tatsächlich? Für einen durchschnittlichen Briefeschreiber ist diese Lösung viel zu teuer. Aber vielleicht könnte die Post ja mal bei den Grossbanken anfragen?

Wo wir fahren, lebt Zürich!

Montag, den 14. Februar 2005

“Nächster Halt: Römerhof.”

“Äh, Hottingerplatz!”

“Hölderlinstrass natürli! Vor lutter Nüüsse! Das wär emene Automat halt nöd passiert!”

  

“Gsundheit!” wünsche ich dem Tramchauffeur, der uns heute so blendend unterhalten hat! Selten hat ein Tram so gelacht…

Schlaraffia

Montag, den 14. Februar 2005

Dass Finanzierungsmodelle in der heutigen Wirtschaft oft dem gesunden Menschenverstand widersprechen weiss jeder, der schon einmal einen Tintenstrahl-Drucker zu einem lächerlichen Preis erstanden hat – und dem dann das Lachen im Hals stecken geblieben ist, weil er für ein par Milliliter Tinte ein Vermögen hinblättern musste.

Notorisch ist diesbezüglich die Telekommunikationsbranche. Handies kauft man heutzutage nicht mehr – man lässt sie sich schenken, und zwar von den Mobilfunk-Anbietern, die auf diesem Weg jedem Abonnenten einen kleinen roten Teppich ausrollen.

Kann man Gratisprodukte noch übertrumpfen? Man kann – indem man seinen Kunden Geld schenkt, statt welches von ihnen zu nehmen. Tele2 Deutschland schreibt seinen Abonnenten 2 Cent gut pro Anruf, den sie entgegennehmen. Denn wo jemand angerufen wird, ruft auch jemand an, und den kann man dann zur Kasse bitten. Eine clevere Idee, die in Geiz-ist-geil-Land bestimmt funktioniert, weil sich manch einer gerne ein paar Cent dazuverdienen wird, auch wenn er sich dafür mit der Schwiegermutter oder mit dem Steueramt unterhalten muss.