Da gestaltet also der Künstler SISTM eine Ausstellung über Blogs. Er interessiert sich insbesondere für den Aspekt der Selbstdarstellung und der Selbstentblössung der Blogger. Die Tagesschau von SF DRS findet das – warum auch immer – einen Beitrag wert und schneidet ein paar pointierte Statements zusammen. Fertig ist das Klischee, das im wesentlichen besagt: Blogger sind gestörte Persönlichkeiten, die – getrieben von existentiellen Problemen und gefangen in ihrer Einsamkeit – im Internet ihr Innerstes preisgeben. Digitaler Exhibitionismus quasi. Blogs sind somit die dunkelste Ecke in der zwielichten Welt des Internets.
Schwer zu sagen ob dieser Tagesschau-Beitrag durch pure Ignoranz oder durch bewusste Boulevardisierung derart entgleist ist. Sogar SISTM fühlte sich bemüssigt, im Blog zur Ausstellung die Wogen zu glätten. Er habe das Bloggen nicht in seiner Gesamtheit bewerten wollen, sondern nur einen bestimmten Aspekt künstlerisch zugespitzt, nämlich die “Vereinsamung von Individuen in der Welt des Web”. Ausserdem will er die Schweizer Blogsphere dadurch beruhigen, dass hierzulande alles weniger dramatisch sei:
“Zudem hatte ich in dem, dem Tagesschau-Beitrag zugrunde liegenden Gespräch betont, dass es sich bei den Blog-Fragmenten um Texte aus GB, USA und Skandinavien handelt, wo ich Vereinsamung und Aspekte seelischer Störungen in stärkerem Masse beobachtet habe, als zum Beispiel in der Schweiz. […] Ich habe in diesem Zusammenhang von einer ‘Kultur des Exhibitionismus’ vor allem in den USA gesprochen, hinter der ich jedoch auch grosse inhaltliche Leere und seelische Störungen sehe.”
Diese halbherzige Rechtfertigung bestätigt mehr, als sie dementiert. Letztlich sind Blogger für SISTM eben doch irgendwie pathologisch. Es ist sein gutes Recht, dies zu glauben, und in Einzelfällen mag er ja sogar recht haben. Aber man sollte sich hüten, dies als einen Auswuchs des Internets zu sehen: Autobiografische Literatur gab es schon immer, und die psychische Verfassung vieler Schriftsteller dürfte nach den Massstäben von SISTM ebenfalls in die Kategorie der “seelischen Störungen” fallen. Wobei man ergänzen muss, dass wirklich relevante Literatur selten von Menschen geschaffen wird, die mit sich und der Welt absolut im Reinen sind.
(via Dienstraum)