Mund zu Mund, Auge zu Auge

3. Juni 2006 | Tim Springer

Es gibt Leute, die Raubkopien als eine effiziente Form von Werbung verstehen: als moderne Mund-zu-Mund-Propaganda. Wenn beispielsweise witzige Werbespots über Websites und File-Sharing-Netzwerke verbreitet werden, dann sind das eigentlich illegale Kopien. Doch den Hersteller freut’s, weil er auf diesem Weg ein viel grösseres Publikum erreicht.

Zugegeben: Werbespots sind ein etwas spezielles Beispiel, weil man sie den Leuten sowieso kostenlos zeigt (ja sie gerade dazu zwingt, sie zu sehen). Aber auch Ausschnitte aus kostenpflichtigen Bild- und Tonwerken werden inzwischen von den Rechteinhabern oft tolieriert (oder gar gefördert), weil sie um die Werbewirkung eines coolen Clips wissen, der rund um den Globus weitergereicht wird. Das hat auch www.youtube.com erfahren:

„Noch im Januar dieses Jahres liess die amerikanische Fernsehanstalt NBC einen Clip aus der TV-Show ‚Saturday Night Live‘ von der Seite entfernen, weil sie dadurch ihr Copyright verletzt sah. Heute kann sich Youtube.com kaum mehr vor anfragen von TV-Sendern, Filmfirmen oder Plattenlabels retten, die die Plattform gerne als szenige Partner bei der Vermarktung ihrer neuen Produkte sähen.“ (Weltwoche 22/2006, S. 12)

Weiterhin nur ein unbestätigtes Gerücht ist dagegen, dass sich Microsoft insgeheim diebisch darüber freut, dass mittellose Schüler und Studenten die Office-Suite kopieren und sich so schon in jungen Jahren derart an Word, Excel und PowerPoint gewöhnen, dass sie später keine andere Bürosoftware mehr anrühren.

2 Kommentare

  1. Kommentar von Sam

    Mund-zu-Mund-Propaganda, wie ist das zu verstehen. Bisher kenne ich Mundpropaganda und Mund-zu-Mund-Beatmung. Ist das nun eine Kombination?

    Ich frage mich, warum Youtube nicht viel grössere Schwierigkeiten hat mit Urhebern – es müssen ja nur einige wenige diesen Marketing-Effekt nicht verstehen und schon ist Youtube am A****, nicht?


  2. Kommentar von Tim

    Zugegeben: „Mundpropaganda“ steht im Duden – „Mund-zu-Mund-Propaganda“ nicht. Aber der Begriff ergibt bei Google immerhin 153’000 Treffer. Und Sprache ist nun mal – zumindest auf lange Sicht – eine ur-demokratische Sache: Sobald ein Wort häufig gebraucht wird, existiert es!

    Falls Dich das nicht überzeugt, dann würde ich zur dichterischen Freiheit Zuflucht suchen. Die habe ich übrigens auch schon im Titel beansprucht, denn „Auge zu Auge“ gibt es nun definitiv nicht – weder als Propaganda noch als Beatmung.


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