Meh Gas?
26. Oktober 2006 | Tim SpringerDer Blick zückt die „Rote Karte für unnötige Radarfallen!“ und schürt damit den Volkszorn über „die reinste Abzocker-Schikane“ der Waadtländer Polizei. Diese hat entlang der Autobahn A1 ein gutes Dutzend neue Radarfallen installiert, die nicht von weit her sichtbar, sondern in der Mittelleitplanke versteckt sind. „So nicht“, schreibt der Wissenschaftsredaktor Reto Kohler, sondern so: „Eine gut sichtbare Radaranlage vor einem Fussgängerstreifen erhöht die Verkehrssicherheit.“
Mit anderen Worten: Nur eine Radarfalle, die jeder sieht (und vor der man somit kurz runterbremsen kann), ist eine gute Radarfalle. Wenn man dagegen an einem Ort geblitzt wird, wo man nicht damit gerechnet hat, dann ist das sinnlos (weil dann ja keiner bremst) und somit reine „Abzockerei und Wegelagerei des Staates“ (Zitat Radar-Info-Zentrale). Mobile und versteckte Radarfallen sind also böse Radarfallen.
Wenn ich mich kurz beim Jugend-Slang bedienen darf: HALLO? Wer so redet (oder schreibt), meint doch im Prinzip, dass auf unseren Strassen freie Fahrt gilt, so lange man der Polizei die Genugtuung lässt, dass man bei den allseits bekannten Blechpolizisten kurz das Unschuldslamm spielt. Das mögen sich viele Autofahrer wünschen, aber es entspricht nicht der Realität – zum Glück, möchte ich anfügen, denn echte Verkehrssicherheit kann sich nicht darauf beschränken, dass Tempolimiten nur auf 0.5 Promille des Strassennetzes eingehalten werden.
Regeln werden bekanntlich dann befolgt, wenn deren Übertretung Konsequenzen hat, die weh tun. Dass man Geschwindigkeitsübertretungen mit Bussen ahndet, macht unter diesem Aspekt absolut Sinn, wie das Wehgeschrei der Autolobby beweist. Wer dies als unrechtmässige Bereicherung der Staatskasse empfindet, darf aber gerne auch „bargeldlose“ Formen der Bestrafung vorschlagen. Wie wäre es beispielsweise mit 1 Tag Freiwilligenarbeit in einer Unfallklinik pro 10 km/h zuviel?
Im Prinzip ist es doch ein Spiel mit ganz einfachen Regeln. Und wer dabei erwischt wird, wenn er die Regeln bewusst bricht, soll es tragen wie ein Mann (oder eine Frau) – und nicht darüber lamentieren, dass sich die Gegenseite nicht an die Regeln hält. Wenn nur jene erwischt würden, die dümmer sind als die Polizei erlaubt, dann wäre das Spiel ja auch ein bisschen reizlos, oder?
Nachtrag: Im Tages-Anzeiger desselben Tages lese ich folgende Schlagzeile:
„Pro Woche sterben auf Europas Strassen 800 Menschen“
Das entspricht 2 Jumbo-Abstürzen pro Woche. Und schuld daran ist – nebst anderen Gründen – eben auch das Tempo:
„Hauptursache für die tödlichen Unfälle seien das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit, Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss und das Nichttragen der Sicherheitsgurte.“
27. Oktober 2006 - 03:25 Uhr
Handkehrum kann man die ‚Verkehrssicherheit‘ auch mit etwas namens ‚mobilen Patrouillen‘ massiv verbessern, denn gegen Leute, die rechts überholen, Lastwagen, die im Überholverbot überholen, oder Motorradfahrer, die zwischen zwei Autos hindurchdüsen, nützen Kästen nichts.
Auch die Dichte der Radare sieht verdächtig nach Geldmacherei aus. Denn die Polizei setzt hier nicht auf die ’spektakulären‘ Raser, sondern auf die kleinen Sünder, die mit 10 km/h zu viel durch einen Kasten hindurchfahren. Und wenn man das anstatt 2x 16x hat, verdient man auch 8x mehr Geld.
Echte Verkehrssicherheit kommt dadurch, dass die, die einen Unfall durch gemeingefährliches Verhalten verursachen, exemplarisch hart und abschreckend bestraft werden, und nicht mit Softie-Strafen. Wenn ein Autofahrer für das Überfahren eines Velofahrers in einem Kreisel, wo der Velofahrer klar den Vortritt hatte, fünf Jahre nicht mehr Autofahren kann, und 2 Jahre unter Hausarrest steht, wird das vielleicht wirken. Wenn auf der Autobahn mit 50 km/h Unterschied in einen hintenreinbrettert und dann ebenfalls 5 Jahre per Pedes geht, nützt das auch.
An jeder Ecke blitzen nützt da nichts, ausser der Staatskasse.
27. Oktober 2006 - 06:37 Uhr
Im letzten Punkt würde ich Dir durchaus recht geben: Die Toleranz gegenüber geringfügigen Übertretungen ist zu gering, während verantwortungsloses Fahren selbst bei fatalen Folgen zu wenig hart bestraft wird. Wer ständig wie gebannt auf den Tacho schielt, fährt nicht unbedingt sicher, selbst wenn er die Tempolimite einhält.
2. Dezember 2010 - 16:10 Uhr
Die Forderung „Freie Fahrt für alle!“ ist typisch für die junge, hippe Generation (die modernen Yuppies, sozusagen) – die manchmal aber auch leider kein Stück weiter denkt als bis zur nächsten Ampel.