Warum Blog-Netzwerke nicht funktionieren
30. Juli 2007 | Tim Springer
Mit Logcut startet die Schweizer Blog-Szene in ein neues Zeitalter: Blog-Netzwerke gab es zwar schon früher (SwissBlogPress), aber so unverblümt als Werbeträger positioniert wurde bisher noch kein Blog-Aggregator.
Bin ich neidisch, weil ich nicht unter den handverlesenen Premium Blogs bin, die nun Ruhm und Rubel einheimsen werden? Nicht wirklich. Weil solche Plattformen ganz einfach nicht funktionieren.
- Erstens: Warum soll eine Website, auf welcher Querbeet über alle möglichen Themen berichtet wird, für einen Leser interessant sein? Das ist ein Konzept aus der Print-Welt, das die Verlage auf ihre Zeitungs-Websites übertragen haben. Blogs sind aber genau der Gegenentwurf zum Portal: Sie sind spezialisiert, spezifisch, speziell. Sie wieder zu einem klassischen Allround-Medium aggregieren zu wollen ist per se widersinnig.
- Zweitens: Was genau soll eigentlich der Mehrwert eines solchen Blog-Netzwerks sein? Dass mehrere Blog-Feeds auf einer hübschen Website zusammengeführt werden? Feed Reeder erfüllen denselben Zweck und sind dabei viel individueller einsetzbar. Oder dass die Blogs qualitätskontrolliert sind? So lange das nicht für jeden einzelnen Beitrag gilt, ist diese Qualitätskontrolle wenig wert: Aggregieren ist eben kein Ersatz für’s Redigieren.
Kurz: Ein paar gebauchpinselte Blogger um sich scharen und ein Banner drüberklatschen macht kein erfolgreiches Portal. Auch wenn es sicher ein paar Werbetreibende geben wird, die sich breitschlagen lassen, auf Logcut ein Banner zu schalten.
30. Juli 2007 - 23:56 Uhr
Interessante Gedanken! Allerdings meine ich, dass zu Deinem ersten Punkt beispielsweise Technorati oder Googles Blogsuche genau dort ansetzen, wo Du etwas Sinnfreies siehst. Blogportale halte ich für etwas sehr Spannendes, so auch slug.ch (deswegen bin ich auch hier gelandet). Sie fassen Präsentationen zusammen, die aus eigener Kraft zu schwach sind, um sich prominent positionieren zu können.
Zu Deinem zweiten Gedanken meine ich, dass Reader wohl die bessere Wahl sind, aber bloss dann, wenn ich die entsprechenden Blogs kenne. Viele sind mit ja unbekannt und mein Reader ist nicht schlau genug, selbst neue zu finden, die ich gerne lese. Ich bin also auf ein gut aktualisiertes Blogportal (in welcher Form auch immer) angewiesen, will ich neue Bloggerkameraden finden.
Was die Qualität betrifft, so ist das wohl der meist umstrittenste Punkt seit der Geburt von swissblogpress. Bislang gibt es keine brauchbaren Massstäbe, um Blogs objektiv nach gleichwertige Kriterien zu messen. Genau aus dem Punkt, den Du auch genannt hast: Es sind individuelle, öffentliche Notizbücher. Die sind sehr schwer zu „schubladisieren“.
Und ja: Gebauchpinselt fühle ich mich durchaus. Das tut gut, auch wenn es zunächst nicht viel an Monetärem bringt 😉
Zur ganzen Geschichte meine ich: Es ist ein Versuch wert. Wagen wir den!
1. August 2007 - 09:05 Uhr
Um das noch zu präzisieren:
Den Sinn von Blog-Suchmaschinen (z.B. http://www.technorati.com), Blog-Verzeichnissen (z.B. http://www.bloggerei.de) oder klassischen Aggregatoren (z.B. http://www.slug.ch) sehe ich absolut ein. Aber das sind einigermassen offene Plattformen, wo jedes Blog eine Chance auf Aufnahme hat und sich dann selbst durch seinen Content behaupten muss.
Plattformen wie Logcut dagegen bevormunden den Leser, indem sie ihm eine sehr beschränkte Auswahl der „besten“ Blogs vor die Nase setzen. Und wenn Vermarktung das Ziel ist, dann zweifle ich die Objektivität dieser Auswahl aus ganz grundsätzlichen Überlegungen an.
4. August 2007 - 00:33 Uhr
Da gebe ich Dir recht und es ist aus jener Warte auch richtig, die Auswahl anzuzweifeln. Denn sie basiert ja nicht auf inhaltlicher Sicht, sondern lediglich auf Reichweite. Vor die Nase gesetzt bekommst Du im Internet gar nichts, ausser Du lässt das zu (was ich aber nicht annehme). Niemand zwingt hier irgend jemanden, etwas anzusehen. Besuche die Site nicht und da Thema ist gegessen.
Es ist doch seltsam in unserer Welt: Niemand stört sich daran, dass sich praktisch jeder von uns zu je fünf Tage die Woche à acht Stunden hurenhaft bei seinem Arbeitgeber verkauft, um mit dem Strichgelt durch das Leben zu kommen. Gibt sich aber jemand in der Freizeit seinem Hobby mit Begeisterung hin, erfreut sich daran und sieht dann eine Möglichkeit, ein paar Franken damit zu verdienen, wird das sofort als grundsätzlich schlecht oder schmutzig taxiert. Dabei liegt hier oft der grössere Anteil an Freiwilligkeit als bei der „normalen Arbeit“. Derweil ist es doch das Schönste, wenn man etwas gerne macht und sich dabei noch ein paar Franken verdienen kann. Ich vermute mal ganz sachte und vorsichtig, dass hinter den „grundsätzlichen Überlegungen“ eine sanfte Priese Eifersucht oder Neid steckt. Könnte doch sein, oder?
PS: Es wäre sehr vorteilhaft, wenn Du hier auf Deinem Blog die Möglichkeit einbauen würdest, dass man per Mail informiert wird, sobald ein neuer Kommentar eingegangen ist. Sonst verpasst man wahrscheinlich ab und zu einen Kommentar.
Liebe Grüsse
Roman
22. August 2007 - 22:18 Uhr
Zum P.S.:
Meine Annahme, WordPress erledige dies automatisch, war offenbar falsch. Ich habe nun das Plug-In Subscribe-to-Comments eingebaut. Für (positives oder negatives) Feedback bin ich dankbar.
Und zum eigentlichen Thema:
Ich störe mich nicht daran, wenn jemand mit seinem Blog Geld verdient. Ich sehe bloss keinen Wert darin, eine Handvoll bunt gemischter Blogs rein zum Zweck der Vermarktung zu einem Netzwerk zu verbinden. Für den Blogger mag das Sinn machen, für den Leser aber nicht. Der Titel dieses Artikels heisst ja auch „Warum Blog-Netzwerke nicht funktionieren“ – und nicht etwa „Warum Blogger kein Geld verdienen sollen“.
P.S. Kein Neid. Pfadfinderehrenwort!