Gute Presse für Toyota

22. Oktober 2005 | Tim Springer

Wenn ich der Kommunikations-Chef von Toyata wäre, dann würde ich mir heute Abend eine Flasche Château Mouton Rothschild AC, Château Margaux AC 1er Cru oder Pétrus AC Pomerol gönnen. Jedenfalls irgend ein alkoholisches Getränk, dessen Flaschenpreis im drei- bis vierstelligen Bereich liegt. Denn ich hätte es verdient: Toyota hat derzeit eine Medienpräsenz, die nur noch von Vogelgrippe und Wirbelstürmen übertroffen wird.

Zuerst die Weltwoche, auf der Titelseite gar:

„Autos für eine bessere Welt: Toyota, die Erfolgsgeschichte“

Christoph Neidhart schreibt nicht unkritisch. Aber er hinterlässt beim Leser trotzdem das Gefühl: Wer einen Toyota kauft, kann nichts falsch machen.

Und heute noch das Magazin:

„Die Hybride kommen!“

Max Küng, selbsternannter Konsumguru, heizt mit einem hybriden SUV der Marke Lexus (gehört Toyota) zu Testzwecken durch die Schweizer Alpen. Durchsetzt mit einigen hüschen Episödchen lässt er uns wissen, dass Toyota technologisch der Konkurrenz nicht nur um Nasen-, sondern Wagenlängen voraus ist und dass sich der Lexus wirklich ganz prima fährt. Wen wundert’s, dass Lexus flug’s eine ganzseitige Anzeige auf der Magazin-Rückseite schaltet?

Auch Küng ist aber nicht unkritisch. Immerhin zitiert er seine Frau mit den Worten:

„Das ist das hässlichste Auto, das ich je gesehen habe […]“

Wo sie recht hat, hat sie recht. Dank der Anzeige sieht man es deutlich.

P.S. Mehr Medienschelte gibt’s z.B. im Pendlerblog.

FAQ

22. Oktober 2005 | Tim Springer

Frage: Ich finde deine Seite scheiße. Was jetzt?

Antwort: Du kannst mir gepflegt den Buckel runterrutschen und nie wiederkommen. Und mach dir bitte nicht noch die Mühe, mir dein Missfallen per Kommentar oder Mail kundzutun. Ich lösche beides ohne einen Funken schlechtes Gewissen. Da bin ich inzwischen relativ schmerzfrei geworden. Leider.

Das FAQ von Anke Gröner sagt viel darüber aus, wie Blogs funktionieren. Auch wenn sie manchmal a bisserl direkt formuliert. So ist das halt bei WerbetexterInnen: Immer exakt auf dem Punkt, mit einer Prise Provokation, damit die Leute nicht einschlafen, und mit einem stählernen Selbstbewusstsein, das Psychotherapeuten um ihren Broterwerb fürchten lässt.

Gibt’s schon

21. Oktober 2005 | Tim Springer

Es ist gar nicht so einfach, einen guten Namen für eine Marke, ein Unternehmen oder eine Organisation zu finden. Es gab eine Zeit, da hiessen alle karitativen Organisation Pro Irgendwas: Pro Juventute, Pro Senectute, Pro Infirmis, Pro Patria oder Pro Natura.

Heute greift man lieber zu englischen Begriffen, und eine Prise Swissness schadet auch nicht: Swiss Steel, Swisstopo, Swissinfo, Radio Swiss Jazz, Swiss Alpine Marathon, Swissonline, Swiss Olympic, Swiss Life, Swissquote – oder auch einfach nur Swiss.

Beim Brainstorming kam mir heute die Idee für den ultimativen Firmennamen: Affenzahn Kurier GmbH. Pfiffig, fetzig, unverwechselbar! Nur schade, dass schon jemand anders eine ganz ähnliche Idee hatte: www.pizza-affenzahn.de

Ich sag’s ja: Es ist gar nicht so einfach, einen guten Namen für eine Marke, ein Unternehmen oder eine Organisation zu finden.

Must Haves: The Top 10 Open Source Software

21. Oktober 2005 | Tim Springer
  1. FirefoxDer Web-Browser. Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen. Höchstens darauf hinweisen, dass man auch einen Blick auf die Seite mit den Extensions und Themes werfen sollte.
  2. ThunderbirdDas E-Mail-Programm. Alles was es braucht – nicht mehr und nicht weniger.
  3. KeePass Password Safe – Die sichere Alternative zu Post-Its: KeePass speichert alle Passwörter, die man als moderner Mensch besitzt, in verschlüsselter Form. Nur das Master-Passwort darf man nicht vergessen.
  4. OpenOffice.org – Seit der neuen Version 2.0 für viele Anwender eine echte Alternative zu Microsoft Office. Insbesondere die Textverarbeitung Writer und die Präsentations-Software Impress überzeugen.
  5. PDFCreator – PDF-Dokumente sind inzwischen unverzichtbar – aber Adobe lässt sich die Tools zur PDF-Erstellung vergolden. PDFCreator „druckt“ jedes beliebige Dokument in eine PDF-Datei und kostet nix.
  6. FileZilla – Kein Schönheit, aber solide und leistungsfähig: der FTP-Client, der auf keinem Rechner fehlen sollte.
  7. 7-Zip – ZIP-Archive sind aus dem Alltag nicht wegzudenken, und WinZIP hat benahe jeder installiert, aber selten bezahlt. Wie man hört soll nun Schluss sein mit der Gratis-Nutzung – höchste Zeit also, um sich eine Open-Source-Alternative anzulachen.
  8. WorldWind – Google Earth hat den virtuellen Flug über die Erdkugel populär gemacht, aber nicht erfunden: Die NASA bietet mit WorldWind schon länger ein schön gemachtes Programm ohne Einschränkungen an (das allerdings ebenfalls eine leistungsfähige Internet-Anbindung voraussetzt).
  9. XAMPP – Wer eigene Websites bauen will, etwas Programmiererblut in den Adern hat und auf Open-Source-Software setzt, kommt nicht um Apache, MySQL und PHP herum. Die Apachefriends haben mit XAMPP ein Paket geschnürt, das sich so einfach wie jedes normale Programm installieren lässt und den eigenen Rechner in ein paar Minuten in einem (Entwicklungs-)Server verwandelt.
  10. (Richtig, da ist noch ein Platz frei…)

Konsum ist straffrei

19. Oktober 2005 | Tim Springer

Die SUISA – die sonst eher für ihre harte Gangart beim Tantiemeninkasso kritisiert wird – räumt mit einem Schauermärchen der Plattenindustrie auf. Auf die Frage „Ist der Download von Musiktiteln aus Tauschbörsen erlaubt?“ steht da glasklar:

„Ja. Verantwortlich für die Regelung von Urheberrechten ist immer der Anbieter und nicht derjenige der ein urheberrechtlich geschütztes Werk geniesst. […] Auch beim Download aus dem Internet ist es nicht anders: Wer urheberrechtlich geschützte Werke im Internet anbietet, muss über die erforderlichen Urheberrechte verfügen. Wer aus dem Internet Musik herunterlädt jedoch nicht. […] Bei den Tauschbörsen ist aber wie bei jedem Tauschgeschäft zu beachten, dass derjenige, der Musiktitel herunterlädt meistens gleichzeitig im Eintausch dafür die auf seiner Festplatte gespeicherten Musiktitel zur Verfügung stellt. Letzteres ist nicht erlaubt und strafbar, wenn keine Erlaubnis der Komponisten, Verleger und Produzenten vorliegt.“ (Quelle)

Nun liegt es in der Natur der Tauschbörsen, dass sie nur dann funktionieren, wenn die Teilnehmer nicht nur Musik herunterladen, sondern selbst auch wieder zum Download anbieten. Rein juristisch bleibt es aber dabei: Wer nur saugt, bleibt straffrei – egal ob er inhaliert oder nicht…

An anderer Stelle relativiert die SUISA allerdings ihre Aussage:

„Nach überwiegender Meinung ist jedoch das Downloaden in der Schweiz auch ohne Zustimmung der Rechtsinhaber erlaubt, selbst wenn das Angebot illegal ist. Gerichtsurteile dazu gibt es allerdings noch keine, so dass die Frage einstweilen nicht abschliessend beantwortet werden kann. (Quelle)

P.S. Die obige Aussage gilt nur für die Schweiz – in Deutschland beispielsweise ist auch das Herunterladen von offensichtlich illegalen Angeboten strafbar.

Gentechnisch bedingt

18. Oktober 2005 | Tim Springer

Zu unseren liebgewordenen Gewohnheiten gehört, dass mir S. die Kolumne „Ein Mann, eine Frage“ aus der Annabelle vorliest. Kürzlich durfte sich dort Mark van Huisseling (das ist der Mann, der sonst für die Weltwoche „Schöne, Reiche und Prominente zuerst treffen und dann ungestraft in die Pfanne hauen darf“, wie es sein Kollege Hanspeter Born kürzlich formulierte), durfte sich also Mark von Huisseling über den Ordnungssinn der Männer und den Sauberkeitssinn der Frauen auslassen.

Kurz zusammengefasst: Männer drehen ihre CDs immer so in der Hülle, dass die Beschriftung schön horizontal ausgerichtet ist (Klar! Gibt es denn noch eine andere Methode?), und Frauen sehen jeden Staub in der Wohnung (Staub? Welcher Staub? Ich sehe keinen Staub!). Selten hat jemand die Unterschiede zwischen den Geschlechtern so schlagend bewiesen…

Krass, der Grass

17. Oktober 2005 | Tim Springer

Wir kennen das vom Deutschunterricht: Keiner traut sich zuzugeben, wenn ihm ein Werk der gehobenen Literatur unverständlich geblieben ist – schliesslich kann das ja nicht an der Literatur, sondern nur an einem selbst liegen.

Christiane Tichatschek ist da aus anderem Holz geschnitzt und hat keine Hemmungen, selbst Literaturnobelpreisträger knallhart mit ihrem Kannitverstahn zu konfrontieren. Für ein Interview der Zeitschrift mobil (Schweizer finden sie gelegentlich im ICE Zürich-Basel herumliegen) gestand sie Günter Grass, dass es da eine Passage im Roman Hundejahre gebe, die ihr schleierhaft geblieben seien. Wörter wie „Gakkos“, „Ballertmenger“, „Aschmatei“ oder „Efta“ kommen darin vor.

„Herr Grass, was bedeutet das?“
„Das ist Zigeunersprache.“
„Wer weiss denn so etwas?“
„Aber es klingt doch gut, finden Sie nicht auch?“

Manchmal liegt es eben doch an der Literatur. Oder am Schriftsteller, der ganz bewusst das Kannitverstahn seiner Leser in Kauf nimmt und sich vielleicht auch ein bisschen darüber amüsiert. Fragen ist also erlaubt!

lic. phil. nutzlos

16. Oktober 2005 | Tim Springer

Die Geisteswissenschaften sind in der Defensive. Sparwütige sehen in Literaturwissenschaften, Philosophie, Ethik oder Geschichte keinen praktischen Nutzen und wollen deshalb auch keine staatlichen Gelder dafür einsetzen. Der Philosoph Andreas Urs Sommer macht im heutigen Magazin einen Versuch, den Wert der Geisteswissenschaften zu erklären.

Im Prinzip, sagt Sommer, haben die Kritiker recht: Geisteswissenschaften liefern – trotz ihres Namens – keine geistigen Gewissheiten:

„Die Geisteswissenschaften erklären uns nicht, was die Welt im Innersten zusammenhält (auch die Naturwissenschaften tun dies nicht). Sie sagen uns nicht, was wir zu glauben oder wie wir zu handeln haben.“

Das sei aber auch nicht die Aufgabe einer Wissenschaft:

„Wissenschaft ist an Erkenntnis um der Erkenntnis willen interessiert – und hat sich nicht dem Diktat eines gerade poppigen Nutzendenkens zu unterwerfen.“

Allerdings:

„Ob es sich eine Gesellschaft leisten will, Erkenntnis um der Erkenntnis willen zu finanzieren, muss diese Gesellschaft auf politischem Weg entscheiden.“

Und da bin ich dann leider doch sehr skeptisch, ob sich eine politische Mehrheit finden wird für die – meiner Meinung nach absolut zutreffende – Haltung, dass

„[…] Erkenntnis ein Selbstzweck ist, um dessentwillen es sich zu leben lohnt.“

Swiss-Bschiss

16. Oktober 2005 | Tim Springer

Fairerweise muss man sagen: Das Mail, das die Swiss-TravelClub-Mitglieder kürzlich erhalten haben, nennt das Kind durchaus beim Namen.

„Vermeiden Sie bitte, dass Ihre Swiss TravelClub Meilen per 31. März 2006 verfallen und beachten Sie den Anmeldeschluss.“

Aber eben erst im zweiten Teil des Mails – der erste Teil besteht aus Marketing-Smalltalk über die Vorteile des neuen Vielfliegerprogramms Miles & More, in das wir uns eingeheiratet (und mit der Swiss als Mitgift bezahlt) haben. Wer liest sowas zu Ende? Eben. Und so haben wohl zig Swiss-TravelClub-Mitglieder per Delete-Taste nicht nur das Mail gelöscht, sondern indirekt auch zig tausend Meilen.

Ein origineller Weg, um eine Fluggesellschaft zu sanieren: Meilenguthaben mittels unklarer Kommunikation, komplizierter Prozeduren und knapper Fristen verfallen lassen. Andererseits sind Meilensammler bekanntlich die treuen Kunden einer Airline – und dass man genau diese nicht verscheissern sollte, gehört eigentlich zu den Marketing Basics.

Die NZZ am Sonntag bringt das Thema heute auf die Frontseite. Und gibt der Swiss Gelegenheit zur Stellungnahme:

„Swiss-Sprecherin Priska Spörri begründet das Vorgehen damit, dass die Kunden selbst über die Programm-Zugehörigkeit entscheiden müssten. ‚Wir können das nicht einfach für unsere Kunden beschliessen.'“

Autsch! Auch die Swiss-Sprecherinnen sind nicht mehr das, was sie zu Zeiten von Beatrice Tschanz einmal waren. Glaubt man bei der Swiss ernsthaft, dass ihre Kunden bewusst auf ein Meilenguthaben verzichten würden, nur weil das Vielfliegerprogramm wechselt? (Wir sind ja geübt darin – es ist noch nicht so lange her, da waren wir noch QualiFlyer-Mitglieder.) Nach dieser Logik würde ich Frau Spörri zudem gerne fragen: Wer hat mich damals gefragt, als die Swiss an die Lufthansa verkauft wurde?

Handbuch für Cyber-Bürgerrechtler

10. Oktober 2005 | Tim Springer

Für die einen mag das Bloggen ein kreativer Akt oder auch nur ein Zeitvertreib sein. Für andere hingegen sind Blogs der praktisch einzige Weg, um kritisch zu informieren – weil sie in einem Staat leben, der die Meinungsfreiheit durch Zensur oder Repression einschränkt. Zur Unterstützung von Dissidenten in totalitären Staaten haben die Reporters Without Borders ein gut gemachtes Handbuch verfasst, das kostenlos als PDF heruntergeladen werden kann: das Handbook for Bloggers and Cyber-Dissidents.

„Bloggers are often the only real journalists in countries where the mainstream media is censored or under pressure. Only they provide independent news, at the risk of displeasing the government and sometimes courting arrest.
Reporters Without Borders has produced this handbook to help them, with handy tips and technical advice on how to to remain anonymous and to get round censorship, by choosing the most suitable method for each situation. It also explains how to set up and make the most of a blog, to publicise it (getting it picked up efficiently by search-engines) and to establish its credibility through observing basic ethical and journalistic principles.“